Dienstag, 20. Mai 2014 – Heute ist es soweit: Wir werden einen Versuch machen den chinesischen Führerschein zu ergattern.
Seit
zwei Wochen haben wir uns fleißig vorbereitet. Im ersten Schritt haben
wir uns dem Studium der örtlichen Fahrgepflogenheiten gewidmet. Quasi
Zusehen und Lernen.
Wir haben die folgenden Regeln als am Wichtigsten erkannt:
1.Hupen:
Grundsätzlich beim Überholen (rechts/links), Überholt werden,
Schneiden, Geschnitten werden, Bremsen, vor Zebrastreifen und roten
Ampeln, beim Linksabbiegen und als Ausdruck allgemeiner Freude am
Autofahren.
2.Überholen:
Bei jeder sich bietender Gelegenheit rechts oder links, wenn es keinen
Hinderungsgrund gibt. Gegenverkehr, mangelnde Anzahl von Fahrspuren oder
gar lustige Überholverbotsschilder stellen ausdrücklich keinen
Hinderungsgrund dar.
3.Raumnutzung:
Jeglicher freie Raum im Straßenverkehr ist sofort einzunehmen und für
die gerade anstehende Tätigkeit zu benutzen. Also Anhalten, Parken,
Überholen, drängeln oder Rückwärtsfahren, wobei allgemein Aufgrund der
Art des Straßenverkehrsraums nicht darauf zu schließen ist was getan
wird. Parkplätze können ebenso zum Überholen benutzt werden, wie manche
Leute quer vor einer grünen Ampel parken.
Um
die Erlaubnis zu erhalten am örtlichen Autoballett teilzunehmen, reicht
der deutsche bzw. europäische Führerschein nicht. Auch ein
internationaler Führerschein reicht den Chinesen komischerweise nicht
aus – hier muss man schließlich Profi sein?! Hm… dann muss es
logischerweise hier irgendwo auch noch eine Lotterie geben bei der man
die Lappen gewinnen kann und die Gewinnchance muss ziemlich hoch sein…
Jedenfalls
muss man den deutschen Führerschein übersetzen lassen, jede Menge
Passbilder mitbringen und noch einige weitere Papiere, sowie den
Reisepass und dann noch – und jetzt kommts: einen Theorietest
absolvieren! Aus einem dicken Fragenkatalog werden 100 Fragen zufällig
ausgewählt von denen man mindestens 90 richtig beantworten muss. Wir
finden schnell eine Website mit den aktuellen Fragen (auch als App für
unterwegs). Versucht es doch auch mal:
www.chinese-driving-test.com/test
www.chinese-driving-test.com/test
Beim
Test kann man aus diversen Übersetzungen auswählen – Chinesisch fällt
schon mal weg… Diversen Empfehlungen zufolge, sollte man auf die
Englische Variante setzen. Deutsch gibt es zwar auch, aber die
Übersetzung sei so schlecht und lückenhaft, dass man seine ganze
Fantasie benötigt, um die Frage zu verstehen. Man beachte aber, dass man
auch viel Fantasie braucht, um auf die richtige vorgegebene Lösung zu
kommen! Also entscheiden wir uns für die brauchbare Englische Version,
die uns zwar auch häufiger ein Lächeln entlockt, aber wir können uns
vorstellen, was gemeint ist:
„After an accident if a person leaves the scene but does not leave, the driver can be punished with a fine…”
> Häh! Geht er jetzt oder geht er nicht weg? Und warum gibt das ne Strafe? Gemeint ist wohl: wenn er weg geschickt wird und dann nicht geht – vermutlich!
> Häh! Geht er jetzt oder geht er nicht weg? Und warum gibt das ne Strafe? Gemeint ist wohl: wenn er weg geschickt wird und dann nicht geht – vermutlich!
Wir haben also vor ein paar
Wochen angefangen zu üben. Das war ganz schnell ganz schön
demotivierend, weil wir dooferweise so geantwortet haben, wie wir es in
der Realität beobachtet haben (siehe oben). Aber! die Antwort bei der
etwas mit „hupen“ vorkommt ist gar nicht immer die Richtige L???
Verwirrung! Wir haben da eine Vermutung: die Chinesen bekommen bestimmt
andere Regeln beigebracht. Den Ausländern geben sie einen anderen Test
und haben damit immer Vorfahrt und Recht! – Et bloß im Wald wohna, an
Fuchs muasch sei – oder ein Chinese!
Beispiel:
In der Praxis würde der Fahrer jetzt Gas geben, ausgedehnt hupen und in die Richtung fahren in die er will oder gar einen U-Turn vor dem Jeep machen.
Richtige Antwort lautet aber D. Nun gut!
Die Fragen aus der Kategorie Verkehrspolizisten haben uns aber noch immer am meisten verwirrt. In der Praxis stehen die auf der Straße und fuchteln wild, auch die deutsche Theorie mit Brust und Rücken brachte bei den Tests keinen Erfolg. Die Logik bleibt nach wie vor aus…
Nach
ein paar Wochen und X Versuchen haben wir den Dreh raus und schaffen
den Online-Test mehrmals. Also besorgt Winnie vom Personalbüro von
Elring China die Übersetzung unserer Führerscheine und geht mit uns zur
Behörde- Gott sei Dank! Ohne chinesischen Beistand wäre man da nämlich
schon ziemlich aufgeschmissen. Zwar kommen leise Heimatgefühle auf, da
das Ablaufen bestimmter Schalter in einer bestimmten Reihenfolge nötig
ist und dazwischen Nummern gezogen werden, nach der man dann aufgerufen
wird, aber da wäre ja noch das Sprach- und Lesehindernis… Zum Vergleich
bitte den Ausschnitt aus Asterix „Passierschein A38“ ansehen.
Zuerst
zum Sehtest. Wir geraten in ein winziges Büro in dem sich schon ein
paar Männer vor dem Schreibtisch einer Beamten tummeln. Sie ist alleine
und keiner der Herren muss sich an das Augentestgerät auf dem
benachbarten Schreibtisch setzen. Sie bekommen alle einen Stempel und
gehen wieder – das erklärt vieles. Nun aber drängelt sich eine kleine
Chinesin an uns vorbei, zieht sich einen weißen Kittel an und nimmt am
Schreibtisch mit dem Augentestgerät platz. Aha – die Augenärztin ist
jetzt da. Ab sofort müssen alle in der Schlange erst an ihr vorbei,
bevor sie den Stempel von der pünktlichen Kollegin erhalten. Der frühe
Vogel fängt den Stempel also ohne Sehtest! Wieder was gelernt J.
Wir machen also den Sehtest und die Beamtin freut sich zumindest dass ich ihr die grüne Zahl auf dem roten Hintergrund auf Chinesisch nenne. Für das Anzeigen der Öffnung des O im nächsten Test, verwenden wir die Hände und siehe da, wir bekommen beide einen Stempel.
Wir machen also den Sehtest und die Beamtin freut sich zumindest dass ich ihr die grüne Zahl auf dem roten Hintergrund auf Chinesisch nenne. Für das Anzeigen der Öffnung des O im nächsten Test, verwenden wir die Hände und siehe da, wir bekommen beide einen Stempel.
Am
nächsten Schalter gibt es eine kleine Diskussion, weil mein
Führerschein auf meinen Mädchennamen lautet und der Pass nicht. Könnte
man zwar leicht erklären, aber die Chinesen kennen das nicht, dass man
nach der Heirat seinen Namen ändert. Verwirrt und besorgt schaut Winnie
mich an als ich es ihr erkläre – sie zuckt die Schultern und übersetzt
es der Beamtin. Nun zuckt auch diese und meint wir sollen uns halt auf
einen Namen festlegen. OK! Kein Problem! Nach weiteren Schaltern müssen
wir an einer Station unsere Passbilder einscannen – aber nicht für den
Führerschein, sondern für die Identifikation während des Theorietests!
Eine Webcam an jedem der Test-PCs nimmt einen während der Prüfung auf
und das kann dann direkt mit dem gescannten Passbild verglichen werden.
Vor der Verschärfung der Regeln zum Jahresbeginn war es nämlich häufig
so, dass man jemanden angeheuert hat, der die Prüfung für einen gemacht
hat. Das wird jetzt schwierig – es sei denn man hat einen Zwilling!
Nun
dürfen wir schließlich den Test machen. Ich starte an einem denkwürdig
langsamen PC. Es wird gefragt, was das Schild auf dem Bild für eine
Bedeutung hat – aber ich sehe kein Bild. Die Windows-Sanduhr läuft noch.
Ich warte also. Als ich kurz davor bin die Aufpasserin zu rufen, baut
es sich auf und ich kenne es sogar! Rot, 8 Ecken und in der Mitte ein
lustiges chinesisches Zeichen – muss ein Stoppschild sein J.
So geht es weiter. Ich weiß einiges, rate vieles und drücke schließlich
auf den Auswertungsbutton: Congratulations. 91 Points! Knapp – aber
geschafft. Die Aufpasserin und Winnie freuen sich mit mir. Björn ist
auch gleich soweit, klickt, lehnt sich entspannt zurück und raunt mir
„98 Punkte“ zu. Streber! Wie immer! J
Nun dürfen wir bei der Aufpasserin ein Dokument unterschreiben. Der
Haken: wir sollen auf Chinesisch unterschreiben, hm! Das ist also der
eigentliche Test! Wieder so ein Trick. Wir mühen uns ab die gedruckten
Zeichen vom übersetzten Führerschein abzumalen. Winnie und die
Aufpasserin kichern. Schön wenn man anderen eine Freude bereiten kann.
Draußen in der Halle nur noch kurz warten und dann halten wir stolz das
wertvolle Dokument in den Händen.
Die praktischen Erfahrungen sind dann bestimmt wieder eine weitere Geschichte wert. Wir werden sehen!
Macht‘s gut und fahrt immer vorsichtig! – auch in Deutschland!
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