Mittwoch, 18. März 2015

Eine chinesische Hochzeit -oder Völkerverständigung in Rot

In der ersten Oktoberwoche war in China das Mid Autumn Festival – auch
Golden Week genannt. Die Tage rund um den Nationalfeiertag am 1. Oktober
bekommen alle frei. Das wird natürlich vorrangig zum Reisen und zu diversen
Familienbesuchen genutzt.

Wir persönlich durften wieder einige ganz besondere Erfahrungen machen und waren
auf eine chinesische Hochzeit eingeladen. Martin und Yanan haben zwar in
Deutschland schon standesamtlich geheiratet, aber Yanan’s Eltern wollten es sich
natürlich auch nicht nehmen lassen, das Bündnis in buddhistisch rechtmäßiger Weise
und in großem Stil hier in China zu feiern.


Auf diesem Bild lachen sie alle noch, aber am nächsten Tag war dem Einen oder
Anderen nicht mehr so wohl…
Am Tag vor der Hochzeit haben wir uns also mit Martin am Flughafen in Shanghai
getroffen, um seine deutschen Gäste aufzusammeln und gemeinsam zum Ort des Geschehens namens Shangyu zu fahren. Nach 2-stündiger Fahrt dort angekommen, wurden wir von Yanans Verwandten sehr herzlich begrüßt. Das Elternhaus stand
schon in ganzer Pracht und das Küchenzelt produzierte in großem Dampf schon
etliche Speisen. Die ganze Nachbarschaft, sowie die komplette Verwandtschaft
schienen schon anwesend zu sein und es entwickelte sich direkt ein Vorfest –
vergleichbar mit unseren Polterabenden, nur dass man statt mit Geschirr zu
schmeißen, Feuerwerksbatterien entzündet (Schießen und Bumm bumm und so
laut
). Außerdem gab es an diesem Abend einige kleine buddhistische Rituale. Die
aufgesammelten Chinaneulinge machten ihre erste Bekanntschaft mit Beijiu – dem
gar grauenhaften chinesischen Schnaps nach dessen Konsum man sich am Folgetag
noch sehr viel grauenhafter fühlt. Yanan’s Mutter schenkte kräftig ein und hatte ihre
helle Freude mit den Lao Wei’s (=liebevolle Bezeichnung für Ausländer).





Schick gemacht: Betzens auf der chinesischen Hochzeit
Der Tag der Hochzeit

Dem Ritual gemäß muss der Bräutigam die Braut am Tag der Hochzeit in ihrem
Elternhaus abholen, dort gibt es ein Abschiedsessen für sie und dann begibt man sich zum Haus des Bräutigams, wo dann mit der Öffentlichkeit gefeiert wird. Im Fall von Martin und Yanan wäre das etwas schwieriger zu bewerkstelligen, da sich
Martins zu Hause in Deutschland befindet und ein Transfer der Gäste die
Feierlichkeiten und das Budget unnötig ausgedehnt hätte. Per Definition wurde also Yanans Elternhaus zu Martins Elternhaus erklärt. Ihr Elternhaus war für diesen Tag ein naheliegendes Hotel – Ihr seht, so einfach macht man in China komplizierte Sachverhalte zu einfach handzuhabenden Fakten!

Zwei männliche Vertrauenspersonen des Bräutigams dürfen ihm den ganzen Tag
beistehen. Dazu wurden Martins Bruder Patrick UND der Björn bestimmt. Die Drei kamen also am späten Vormittag ins Hotel gefahren, um die Braut abzuholen bzw. auszulösen.


Ankunft Bräutigam im Hotel – man beachte den Qualm im Hintergrund

Feuerwerk ist essentiell wichtig an so einem Tag! Ob gegen böse Geister oder nur zum Ausdruck der Freude? Wir wissen es nicht...

Eine Verwandte der Braut bewacht deren Zimmer und wenn dann der Bräutigam mit
seinen Bro’s kommt müssen sie diese durch Geld in einem traditionell roten Umschlag
(Hong bao) freikaufen und singen mussten sie auch! Leider war ich zu diesem
Zeitpunkt nicht dabei, aber ich hätte zu gerne ein Video wie Martin, Björn und Patrick die chinesische Nationalhymne und ein Volkslied anstimmen, um Yanan da raus zu bekommen – Naja, Kopfkino ist ja manchmal sogar besser als Realität J

Danach haben wir im Hotel Mittag gegessen – war wohl dann das Abschiedsessen für
die Braut. Die Baijiu-Opfer des Vortags mussten da leider noch passen, der Rest war
wieder voll dabei und das Bier (piju) floss wieder.

 
Anschließend gings dann los mit dem großen Spektakel. Die Braut darf nach Verlassen des „Elternhauses“ (=Hotel) nicht mehr Sprechen (? um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen?) und nur noch auf einem roten Teppich (simuliert Feuer, das
vorab vom Trauzeugen des Bräutigams durch eine Zigarette entzündet wurde (-ja! Eine Zigarette) – hat wohl etwas mit „keine kalten Füße bekommen“ zu tun) unter einem roten Schirm (steht für Schutz und Wärme unter dem neuen Dach… oder so ) wandeln.



Ankunft in der Nachbarschaft – Candyman Patrick
Eine 20-Minütige Fahrt später, in eigens dafür organisierten Mercedes
S600-Limousinen, waren wir in der Nachbarschaft von Yanans Elternhaus (an diesem
Tag per Definition, das des Bräutigams :-)) angekommen. Hier wurde Patrick
kurzerhand zum Candyman und musste aus einer (natürlich) roten Tasche
heraus Süßigkeiten an die Kinder und Nachbarn verteilen. Er wurde sowas
von bestürmt -Mein einziger Tipp wäre gewesen, dass er laut „Narri-Narro“
oder natürlich „Schlippr schlappr- hülaschlappr“ schreit und kamellewerfend
weiterläuft –aber dazu hat ihm wohl auch noch die Holzmaske gefehlt und die

Jahreszeit war auch falsch.



Brautzug auf dem roten Teppich
Braut und Bräutigam zogen derweil – auf einem roten Teppich, unter einem roten
Schirm – die Straße zum Haus hinunter und wurden freudig und unter Schießen und Bumm Bumm begrüßt. Witzig war dabei, dass der rote Teppich natürlich nicht lang genug war. Man hatte einfach zwei kürzere Stücke organisiert und sobald auf den
2. Abschnitt gewechselt wurde, den 1. Abschnitt von hinten weg getragen und
vorne wieder angelegt – zum Schießen :-)!




Ankunft am festgeschmückten Haus
Nach kurzem Stelldichein, mehreren weiteren Feuerwerksbatterien und dem Essen
von einem Schälchen undefinierbarem süßem Zeug, das dem Brautpaar Glück
bescheren soll, ging es weiter mit der Zeremonie. Die Braut hatte sich in der
Zwischenzeit in das traditionelle rote Hochzeitskleid geworfen. (Anmerkung: es gibt
chinesische Bräute, die bis zu 5 – ja FÜNF – verschiedene Kleider tragen an ihrem
Hochzeitstag. Yanan hat sich da mit zweien begnügt) 

Bei der Zeremonie mussten die beiden sich vor einem in der Eingangshalle des
Hauses aufgebautem Altar in alle 4 Himmelsrichtungen verneigen. Danach haben es
ihnen Brauteltern gleichgetan. Was und wie das alles genau vor sich ging und vor
allem was dahinter steckt, vermag ich leider nicht zu sagen…

Wie auch bei deutschen Hochzeiten, so ist auch bei chinesischen Hochzeiten das
Essen ultrawichtig. Wir waren ernsthaft beeindruckt, was da in diesem Küchenzelt
neben dem Haus alles fabriziert, gebrutzelt und gezaubert wurde.



Unser Tisch bog sich quasi vor Essen! Die Anzahl verschiedener Gerichte, die da
aufgetischt wurden, war wirklich der Hammer! Viel Seafood inklusive Shrimps,
Krebsen und kompletten Fischen, Gemüsesorten, die wir im Leben noch nicht
gesehen haben, Ente, Huhn und Rind in diversen Variationen bis hin zu originalen
Frühlingsrollen – da hätte nur noch ein Glückskeks gefehlt, aber ich habe beschlossen, dass ich das ab sofort für etwas Amerikanisches halte, sonst wäre es
sicherlich dabei gewesen!




Getränke ausschenken durch den Bräutigam...
… und natürlich auch mittrinken
Da direkt nach dem Essen die ganze Party eigentlich beendet ist und die Gäste
sobald sie aufgegessen haben, fluchtartig nach Hause gehen, ist der Bräutigam dazu
angehalten während des Essens alle Gäste an allen Tischen zu besuchen und Baijiu
(der gute alte Schnaps) auszuschenken. Natürlich sollte er auch jedes Mal einen
Mittrinken, aber die Schwiegermutter hat dafür gesorgt, dass er glimpflich davon
kam. Hier kommen auch die beiden Bro’s wieder ins Spiel. Sollte der Bräutigam nicht
mehr weitertrinken können, darf er die Aufgabe an die beiden übertragen – aber wie
gesagt, er kam glimpflich davon. Dafür waren Björn und Patrick dann für das
Verteilen von Zigaretten und Kaugummis an die Gäste zuständig. Die Gäste befanden
sich übrigens nicht nur in besagtem Elternhaus – in der ganzen Straße wurde in
jedem Nachbarhaus gefeiert. Das Essen ist in jedes dieser Häuser getragen worden

und die Ausschenkerei wurde auch überall dort zelebriert. Ein netter Brauch! 






Die einheimischen Gäste sind dann tatsächlich nach dem Essen alle verschwunden. Die engere Verwandtschaft (Eltern, „Brüder“ und Tanten von Yanan) sind in einem kleineren Raum noch verhockt und als wir dazu stießen begann dann der eigentliche Teil der Völkerverständigung. 

Zu guter Letzt: in die Familie aufgenommen werden – gemeinsam Trinken hilft

Der hier links abgelichtete „Bruder“ von Yanan hat einen Spitznamen, der irgendwas
besagt von wegen er könne nicht besoffen werden oder verträgt viel oder so…
Nunja… sagen wir, kurz nach dieser Aufnahme sind die beiden zusammen recht
überhastet zur Toilette aufgebrochen, um sich den Baijiu nochmals durch den Kopf gehen zu lassen… Der „Bruder“ rechts im Bild wollte kurze Zeit später aus dem Raum gehen, ist aber als er aufstand wie ein Baum nach vorne umgefallen! Schön – das mit der Völkerverständigung! Auch ohne Sprachkenntnisse war der Abend äußerst witzig und die Unterhaltungen lebhaft. Als wir schließlich auch den letzten chinesischen
Verwandten unter den Tisch getrunken hatten, gings dann für uns zurück ins Hotel
–auch wenn es erst ca. 23 Uhr war…

Ein denkwürdiger Tag! –Nicht nur für das Brautpaar!
Wir bedanken uns nochmals vielmals für die Einladung!!!!!!!!

P.S: man könnte über diesen Tag noch viel mehr erzählen und noch viele hundert
mehr Bilder posten, aber dieser Text hat jetzt schon vier Seiten in Word und wir
wolln euch ja nicht langweilen ;-)


-für Fragen und Anmerkungen bitte Kommentare
posten!

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