Donnerstag, 10. Dezember 2015

Hüttenfeeling in China – Nikolaus-Wochenende auf Berg Mogan



In der Nähe von Hangzhou und etwa 3 Autostunden von Suzhou entfernt liegt der Moganshan (Shan = Berg). Am Nikolaus-Wochenende sind wir mit mehreren Familien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dorthin gefahren und haben uns eine „Hütte“ gemietet – alle auch Expats in Suzhou, die einen näher bekannt, die anderen noch nie gesehen; aber wir sind ja nicht scheu.

Die Hütte/ das Gasthaus hatten wir ganz für uns. Nur die Herbergsfamilie besetzte eifrig ihren Platz vor dem Fernseher und war quasi rund um die Uhr für uns da -in den Werbepausen. Nein; die haben toll für uns gesorgt, Frühstück und Abendessen gekocht wie die Weltmeister; richtige chinesische Hausmannskost, oberlecker und immer genug für eine ganze Kompanie.

Eifrige Planung im Vorhinein, mit nicht weniger als 500 Posts in der eigens erstellten WeChat-Gruppe, sowie das natürliche Auftreten von unvorhersehbaren Ereignissen, die nun mal zu China gehören wie Mao und Pandabären, machten das Wochenende unvergesslich, aber auch unvergesslich schön.

So kann man zum Beispiel damit rechnen, dass es Anfang Dezember auf einem Berg im Süd-Osten Chinas, in einem von Chinesen erbauten Haus vermutlich sehr kalt wird und sich entsprechend ausstatten.

Man kann auch den Wetterbericht checken und ein neues englisches Wort lernen: „wintry showers“ und nach kurzer Interpretationsphase noch lange Unterhosen einpacken und sich Decken von den Nachbarn leihen. Dass es dann aber wie aus Kübeln schneit und man einen schneebedeckten Bambuswald erlebt und dass dann nach dem Abendessen der Strom im ganzen Haus ausfällt und auch weg bleibt, so dass gar keine Heizungen mehr funktionieren, damit kann man nun wirklich nicht rechnen.

Mit Hilfe der richtigen Leute kann man aber eben auch das Beste daraus machen. Erst im zunächst immer dicker werdenden Regen durch den Bambuswald spazieren, zurück in der Hütte selbstgemachten Glühwein aufsetzen, die aus Deutschland eingeschmuggelten Lebkuchen auspacken, Weihnachtsmusik auflegen, Würstchen grillen (ja, das passt dazu!), den Flocken zusehen und hoffen, dass der Nikolaus einen an diesem entlegenen Flecken findet.
Nach dem Abendessen wurde es wie gesagt dunkel im Haus. Die Herbergsfamilie eilte mit Kerzen zu uns und versuchte sich darum zu kümmern, dass der Strom wieder in Gang kommt. (Hat leider nichts geholfen, aber sie waren stets bemüht.) Dafür wurde es heimelig als wir da so im Kerzenschein saßen, uns um die Wichtelgeschenke gekabbelt haben, alle Klamotten angezogen und Decken umgewickelt haben, die wir finden konnten und uns mit Wein und dem einen oder anderen Schnaps (Wichtelregel Nr. 1: wenn eine 2 gewürfelt wird, muss Catrin einen trinken) bei Laune gehalten haben. Es wurde sogar gesungen und regionales Liedgut ausgetauscht – . „Des Nachts, wenn I hoim so geh“ ist jetzt jedenfalls auch in China mal gesungen worden und wird über Steinhilbens Grenzen hinweg vermutlich bald zum Kassenschlager.

Völkerverständigung pur. Diese sollte schließlich nie zu kurz kommen; auch wenn nur das 3-Länder-Eck zusammen sitzt.


Donnerstag, 3. Dezember 2015

Gastbeitrag Roland: China sehen und (nicht) verstehen

Mehrdeutiger Titel? Mehrdeutiges Land.

Nein, ich bin weder Cora noch BJ, darf aber trotzdem hier meinen Senf dazugeben. Ihr fragt euch, warum? Weil ich es kann. Das ist auch die Denkweise der Chinesen, denn anders lassen sich die Nachbildung der Londoner Tower Bridge mitten in Suzhou, lebende Skorpione auf Stäbchen gespießt, Glasböden in 270m Höhe und noch vieles mehr einfach nicht erklären. Daher haben Nadine und ich nach einer Weile BJs Dauerantwort („in China fragt man nicht, warum.“) angenommen und uns damit begnügt, uns still zu wundern.
Zwei Anmerkungen vorab: 1. Ich könnte jeden Satz unseres Reiseberichts mit „auf der einen Seite“ beginnen, will euch aber damit verschonen und es dabei belassen, dass China das Land der Gegensätze ist. 2. Beim Durchlesen der bisherigen Erfahrungsberichte im BetzChina-Blog könnte der geneigte Leser hin und wieder auf den Gedanken kommen, manche Themen seien von den Autoren humoristisch überspitzt dargestellt worden. Uns ging es selbst so. Dann kam China.
Beginnen möchte ich bei der Idee, die sich an Silvester im Jacuzzi des Steinhilbener Exils entwickelt hat, als Cora und BJ meine Verlobte Nadine und mich fragten, ob wir nicht nach China kommen wollen. Nüchtern betrachtet, also ein paar Tage später, klang es immer noch gut und der Plan nahm Form an. Dementsprechend wurden Flüge und Hostels gebucht, Visa beantragt, Einladungsschreiben verschickt, Lonely Planet bestellt und Pläne geschmiedet.  
Dann war es endlich soweit: nach über 8.000km, 22 Stunden Reisezeit und viel zu wenig Schlaf kamen wir in Peking an. Hier begann, was uns drei Wochen lang begleitete: eine Erkenntnis jagte die andere. Zu viele, um alle aufzuzählen, ich versuche dennoch, ein paar zu beschreiben. Erste Erkenntnis, als wir mit einer U-Bahn innerhalb des Flughafens vom Ankunftsterminal zur Gepäckausgabe fuhren: scheint groß zu sein, dieses China. Bekräftigt wurde dieses Gefühl von unserem Fahrer, der uns ins Hostel bringen sollte. Er fand sein Auto nicht mehr. Kann in einem Parkhaus mit 7000 Stellplätzen schon mal passieren. Später sollten wir erfahren, dass dies beileibe kein Einzelfall darstellt – gell, C J
Eine weitere Erkenntnis folgte, als das Auto schließlich gefunden wurde und wir auf den Straßen unterwegs waren. Rush-Hour montags in der Früh. Zwei Stunden bis zum Hostel. Zwei Stunden Adrenalin pur. Ich verstehe nun auch BJ, der den Spruch prägte: „ich habe auf dem Weg zur Arbeit gar nicht genug Mittelfinger um meine Meinung auszudrücken“. Übrigens, BJ, bin ich immer noch beeindruckt, wie du es schaffst, mit einer Hand zu hupen und gleichzeitig mit der anderen den weiteren Verkehrsteilnehmern deinen längsten Finger zu zeigen. Wobei gerade das Hupen ja nichts Negatives ist. Heißt ja nur: „ich bin auch da“. Dementsprechend ist auch der Geräuschpegel. Zusätzlich zum Chaosprinzip des Spurwechselns, der schieren Menge an Bussen, Taxen, LKWs, Scooter gibt es auch für Fußgänger scheinbar keine festen Regeln, wie die Straße zu überqueren ist. Daher bleibt festzuhalten: Der Straßenverkehr ist ein Erlebnis. Eines von der Abenteuersorte.
Tag 1-4. Peking. Für uns wurde China in den ersten Tagen zum Land der tausend Stufen. Egal, ob Lama-Tempel, Konfuzius-Tempel, Beihai-Park, Verbotene Stadt oder Chinesische Mauer – die Muskulatur wurde dauertrainiert. Die Mühe war es allemal wert, alle Sehenswürdigkeiten haben uns schlichtweg umgehauen. Um hier jedoch eine weitere Erkenntnis einfließen zu lassen und uns damit als Kunstbanausen zu outen: nach dem zwanzigsten Tempel erkennt man eine gewisse Redundanz.
Aber auch abseits der großen Touriattraktionen, waren es gerade die kleinen Geschichten am Rande, die den Trip unvergesslich werden ließen. Beispiel? Man nehme zwei Deutsche, die zwar Englisch, aber kein Chinesisch reden. Man füge Chinesen in fünf China Mobile Shops hinzu, die zwar Chinesisch, aber kein Englisch sprechen. Man ziert es mit einer chinesischen SIM-Card, die lediglich wieder mit ein wenig Geld geladen werden muss. Zwei Optionen: entweder ihr spielt Montagsmaler mit den Einheimischen (nur 4-5 Stunden lustig), oder ihr lasst euch im Hostel einen Satz in Landessprache übersetzen, geht in einen China Mobile Shop und kommt zwei Minuten später mit erreichtem Ziel wieder heraus. Das Gefühl, diese Mission der Schwierigkeitsstufe 10.000 gemeistert zu haben: unbezahlbar. Oder die Begegnung mit BJ, der uns am ersten Abend in unserem Hostel besuchte, da er gerade geschäftlich „in der Nähe“ unterwegs war. Absurd witzige Situation, wenn einem 9.000km von zuhause plötzlich einer deiner besten Kumpels entgegenkommt. Nach vier Tagen, in denen wir viele Menschen kennengelernt haben, Karaoke sangen, Essensmärkte besuchten, von vielem beeindruckt waren und über noch viel mehr schmunzeln mussten,  war es Zeit, eine Stadt zu verlassen, die für das „alte und traditionelle China“ steht.       

Tag 5 – 14. Suzhou. (+Tagesausflug Nanxun, 3 Tage Hangzhou) Mit dem Nachtzug ging es in einem 2x2m großen Schlafabteil, das wir mit zwei weiteren Personen und vollem Gepäck in bester Tetris-Manier komplett ausfüllten, ins 1300km entfernte Suzhou. Und fanden uns in einer anderen Welt wieder. Gut, einiges blieb gleich (der absurde Verkehr, Chinesen, die in Schlafanzügen durch Straßen laufen, etc), dennoch gab es signifikante Unterschiede. Um die zwei größten zu nennen: Suzhou ist irgendwie wie Cher (ja, die Sängerin) – ein ganz kleiner Teil ist uralt, das Meiste jedoch relativ neu (noch unter 25). Man kommt sich oft vor, als befände man sich in einem künstlich angelegten Freizeitpark. Einem sehr, sehr großen Freizeitpark. Hinzu kommt, dass Cora und BJ in einem abgegrenzten Areal wohnen, der doch ziemlich stark an ein Ferienressort erinnert. Wobei wir damit zum zweiten großen Unterschied kommen: Cora und BJ waren da. Die Wiedersehensfreude war riesig und was soll ich sagen, sie kümmerten sich vorbildlich um uns und sorgten dafür, dass die Zeit in Suzhou zum Erholungsurlaub wurde. Im Gegensatz zu Peking und Shanghai gingen Nadine und ich also für diesen Zeitraum in den Lemming-Modus und genossen es sehr, uns von den Beiden alles zeigen zu lassen. Kaum angekommen - und besonders die Schwaben unter euch sollten jetzt besonders konzentriert lesen - ging es zur wichtigsten Mission des Urlaubs. Dafür muss ich allerdings kurz ausholen. Ich habe das große Glück, im Juli 2016 meine Traumfrau heiraten zu dürfen. Dafür braucht man bekanntlich Kleid und Anzug. Nun ist Suzhou der Weltproduzent für Hochzeitskleider, ein Maßanzug wird ebenfalls problemlos auf den Leib geschneidert. Daher mein Tipp an alle, die in den nächsten Jahren ebenfalls vorhaben, zu heiraten: kauft die Sachen in China und verbindet es mit einem 3-Wochen-Urlaub dort, anstatt in Deutschland einzukaufen. Ihr kommt bei gleicher Qualität auf denselben Preis. Zum Aufwand der Suche möchte ich nur sagen: wir haben das Klischee von Mann und Frau aber sowas von bestätigt. Das Ergebnis war perfekt, alle waren glücklich. Das musste gefeiert werden. Zwei Tage lang. An den Namen der Bar des ersten Abends kann ich mich unerklärlicherweise nicht mehr erinnern, aber das legendäre Würfelspiel wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Der Name der Studentenkneipe am zweiten Abend war einfacher zu merken, zumal Mr.T einen auffordert: “get wasted at the drunken Clam“. Und Mr. T widerspricht man nicht.
Nach einem Tag zur Regeneration ging es folgend daran, Suzhou zu erkunden und auch hier kamen wir voll auf unsere Kosten: Perlenmarkt, Altstadt und der schiefe Turm von Tiger Hill sind ebenso spannend, wie die erwähnte Nachbildung der Tower Bridge und eines kompletten Dänischen Dorfes(!) verrückt. Zwischendurch ging es über einen von Coras Expatverein organisierten Ausflug, noch einen Tag raus aus der Stadt, in die Watertown nach Nanxun. Hier half uns die Reiseleiterin, die tatsächlich die ganze Zeit über redete – ohne heiser zu werden – die  Geschichte Chinas besser zu verstehen. Auch der Aufenthalt in Suzhou, in der uns außer dem bereits genannten auch das vielfältige vorzügliche Essen, sowie die dortigen Freunde von BJ und Cora (spezieller Gruß an Oli) in Erinnerung bleiben werden, hatte ein Ende. Doch bevor wir den Zug nach Shanghai nahmen, packten wir uns zu viert nochmal ins Auto und fuhren für drei Tage nach Hangzhou und tranken Tee.         

Tag 15 – 18. Shanghai. Wählen Sie aus allen Punkten drei Dinge, die Sie in Shanghai gesehen haben sollten. Nanjing Road. French Concession. Und vor allem: the Bund. Ein großes Lob an meine Verlobte für die Buchung, sowie eine weitere Empfehlung an alle, die diese Stadt besuchen. Das MingTown-Youth Hostel liegt zentral und dennoch relativ ruhig. So war es nur eine Querstraße bis zur Nanjing-Road, eine der größten Einkaufsstraßen der Welt. Sagt Wikipedia. Bereits routiniert erfüllten wir das, was uns die komplette Zeit in China täglich 3-5 mal offen passierte und unzählige Male mehr oder weniger heimlich versucht wurde: Chinesen wollten Fotos von uns machen. Ich habe immer noch keine Ahnung warum, aber wie bereits erwähnt, ist diese Frage in China sinnfrei. Auch hier folgten wir derselben Taktik, wie in den anderen Städten und machten uns zu Fuß auf, die Stadt zu erkunden. So gelangten wir noch von dem Eindruck der mit Luxusartikeln übersäten Nanjing Road in eine Gegend, welche Nadine später als das schönste Viertel Chinas bezeichnen sollte. Die French Concession. Wir hatten gelesen, dass es hier etwas geben soll, das Tian Zi Fang heißt, wussten aber nicht genau, was uns dort erwartet. Laut Karte standen wir direkt davor, konnten aber keinen Eingang entdecken. Also fragten wir jemanden. Die Antwort kam lächelnd: “Straight ahead to the next corner, then turn left, go through a small door and then you will get lost.” Er hatte Recht. Kaum waren wir durch diesen kleine Tür durch, sahen wir uns einer Vielzahl an winzigen Gassen gegenüber, vollgestopft mit kleinen Läden, die man teilweise durchqueren muss, um wiederum in andere Gassen zu gelangen. Wer meine Verlobte kennt: es war der Himmel für Sie. Und sogar ich selbst muss sagen, dass man sich dort ohne Probleme einen Tag lang aufhalten kann und sich sehr wohl fühlt. Naja, irgendwann haben wir dann doch wieder aus dem Labyrinth herausgefunden. Meine persönlichen Highlights in Shanghai betrafen den Bund. Zunächst bei Nacht am Seeufer betrachtet - meiner Meinung nach eine der schönsten Skylines der Welt – ging es am nächsten Tag daran, den Bund aus der Nähe zu sehen. Hat man keine Höhenangst, sollte man unbedingt den Glasboden des Pearl Towers betreten.
Man wird mit einer überragenden Aussicht belohnt und noch krasser: einem Wahnsinnsgefühl, wenn die Augen dem Gehirn melden, man stehe 270m hoch in der Luft. Sollte man am Boden bleiben wollen, wird einem am folgenden Tag vermutlich der Nacken wehtun, da man sich von Hochhäusern umgeben sieht – unter anderem dem zweithöchsten Gebäude der Welt. Nach der Ankunft im traditionellen, größtenteils alten und noch am ehesten kommunistisch zu nennende Peking, beendeten wir unseren Trip also in der Stadt, die in unseren Augen das genaue Gegenteil widerspiegelt und machten wir uns nach knapp drei Wochen auf, wieder nach Deutschland zurückzukehren, mit der bestätigten Meinung, die wir auch heute noch vertreten: um China in Ansätzen verstehen zu wollen, muss man es gesehen haben. Und versprochen - es lohnt sich.




Nachwort: Ich erhebe mit meiner Erzählung nicht mal annähernd den Anspruch auf Vollständigkeit, viele spannende Erfahrungen wurden nur mit einem Wort erwähnt, noch viel mehr wurde aus Platzgründen komplett weggelassen – nur die Wenigsten haben Bock, einen Bericht über 20 Seiten zu lesen. Solltet ihr zu den angesprochenen Wenigsten gehören, oder interessiert euch eine Geschichte im Speziellen, quatscht uns einfach an.

Last but not least ein paar Worte an euch, Cora und Bj: Ohne euch wäre der Trip nicht mal in der Idee entstanden und wir hatten einen Riesenspaß mit und durch euch. Ihr seid Ratgeber, Flügebucher, Einladungsschreibende, SIM und U-Bahn-Karten-Verleiher, Gastgeber, Aufpäppler, Shopping-Begleiter, Touriguides und noch vieles mehr… aber vor allem seid ihr zwei unfassbar tolle Freunde für uns. DANKE SCHÖN für alles!!!